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Die im Qur‘an über die Frauen und weiblichen Lebenswelten gemachten Äußerungen der Gottes – die im heutigen Diskurs meist als frauen-reglementierend und sogar als frauenfeindlich angesehen werden, sind in Wahrheit in Gottes-gerechter-Wirklichkeit frauenbefreiend und frauenfördernd.

Die Methode der Exegese und Hermeneutik (ta'will) göttlichen Textmaterials ist eine vieldeutige und vielschichtige, die bereits während der Verkündung einsetzte.  Dies entspricht der Weite menschlichen Denkens ebenso wie der Begrenztheit unseres Denk-"vermögens" andererseits. Denn nur der Schöpfer ist absolut. Diese Vielschichtigkeit führt wiederum zu einer vieldeutigen Exegese und verschiedenen Lesarten die in ihrer Mannigfaltigkeit letztendlich unbegrenzt ist. 

Das bisweilen auch absichtliche Übersehen und Überhören dieser hermeneutischen Methodik oder die eindimensionale dogmatische Auslegungstechnik, besonders in Bezug auf die Lebenswelten des Weiblichen -  beschränkt den Text auf ein Minimum seiner Vielfältigkeit und tötet den kreativen qur’anischen Geist. Mit der Ausgrenzung der schöpferischen Kreativität marginalisiert dieses Verfahren den freien Geist. Meistens wird nur  die patriarchale Lesart tradiert.

Die von Frauen entwickelten Lesarten müssen aus dem qur’anischen Selbstverständnis erkennbar sein, wollen sie dem Anspruch der Diskutierbarkeit gerecht werden.

Die Methode vieldeutiger und vielschichtiger Anwendung von Textmaterial (al ayat al-mustasabihat) ist im Qur‘an selbst erwähnt. (Sure 3,3) Der Gesandte Allahs, Muhammad, hat von der Möglichkeit der perspektivischen  Anwendung Gebrauch gemacht und ist damit durch die situationsbezogene Auslegung der zeitunabhängigen Offenbarung gerecht geworden. Nur durch die Zeitbezogenheit wird der Baqi-Charakter (zeitübergreifend)) der Offenbarung erst verifiziert.

Nachfolger des Propheten in der Frühzeit haben diese Methode systematisiert  und in den gesellschaftlich relevanten Kontext mit aufgenommen. (Siehe z.B.  Die rechts- und gesellschaftsrelevanten Entscheidungen des Khalifen 'Umar). Sie wurde zum allgemeingültigen Verfahren, welches später mehr und mehr verlorenging. Die Schrift steht in einem Spannungsverhältnis zwischen Text und Kontext. Wie ein Pendel schwingt die aktuelle Frage vom Text zum Kontext, um dort den Geist des Textes (ruh at tasri) mit dem Kontext in Zusammenhang zu bringen und schwingt von dort zurück zum Text, der, nun befragt und ausgelotet unangetastet bleibt, während seine Essenz in der Zeit der Lösung von Fragen und Problemen dient. 

Frauen müssen sich diese verschollene Methode in der Hermeneutik der Fortschreibung im Positiven wieder aneignen. Dies entspricht der persönlichen Beziehung des Qur`ans zur Schöpfung,  welcher alle Menschen, weiblich oder männlich gleichermaßen individuell anspricht. Niemand kann für eine/n andere/n die Texte  o f f e n b a r  machen. Jedem Individuum kommt die Aufgabe individuell zu, sich mit en Texten auseinander zu setzen und über den Anspruch klerikaler Kreise  zur   Sakralisierung   nachzudenken.  Die Frauen des Qur`ans (alle Musliminnen) müssen in i h r e r  Zeit die qur`anischen Texte an der Offenbarungszeit messen und deuten  und neue hermeneutische Ansätze und Methoden entwickeln. Damit diese Deutung von Frauen sichtbar und gesellschaftlich relevant wird, ist eine weltweite Zusammenarbeit von Frauen unerläßlich. Auf diese Weise könnte b e k a n n t  (von: bekennen) werden, daß unterschiedliche Deutungs-Muster in unterschiedlichen Gesellschaften  dennoch, oder gerade darum, dem qur`anischen Anspruch, eine Rechtleitung aller Zeiten zu sein, gerecht werden kann.